Heinrich Krobbach und Bücher
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Franz Werfel (Österreich): Eine blaßblaue Frauenschrift

Verlag
Kröner Stuttgart
Jahr
2016
Seiten
176
ISBN
352085502X
Genre
Erzählung
Land
Österreich

Leonidas ist Sektionschef im Österreichischen Kultusministerium, hat sich aus kleinen Verhältnissen emporgearbeitet, ist gerade 50 Jahre alt geworden und verheiratet mit der aus scherreichem Elternhaus stammenden Amelie. Er ist sozusagen auf dem Höhepunkt seines erfolgreichen Lebens. Da erreicht ihn ein Brief in blaßblauer Frauenschrift und er erkennt als Absenderin sofort seine ehemalige Geliebte Vera. Obwohl schon mit Amelie verheiratet hatte er vor 18 Jahren ihr eine gemeinsame Zukunft versprochen, sie jedoch schändlich sitzen lassen. Vera bittet ihn in förmlichen Ton um Unterstützung für einen jungen Mann, der in Deutschland kein Abitur mehr machen darf. (Die Geschichte spielt kurz vor der Okkupation Österreichs durch die Nazis; Vera ist Jüdin). Leonidas beschleicht die Ahnung, dass dieser junge Mann sein Sohn sein könnte – der Zusammenbruch seiner bürgerlichen Existenz wäre damit unausweichlich.

Geschickt spielt Franz Werfel (unter Anspielung auf antike Themen) mit den Ausmaßen einer Tragödie und stutzt sie fast ironisch zu einem eher profanen Ende. Eingebettet ist das Ganze in eine illustre Schilderung des österreichischen Beamtengeistes, z.B. des „…liebenswürdig verbindlichen Rechthabens und Machthabens…“. Darüber hinaus beschreibt er in Deutlichkeit, wie sich Teile der österreichischen Elite in vorauseilendem Gehorsam schon auf die Machtübernahme durch die Nazis vorbereiten. Einfach genial die mit poetischer Präzision gezeichneten Szenen und Stimmungen – halt Weltliteratur!

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