Heinrich Krobbach und Bücher
Heinrich Krobbach und Bücher


Maria Cecilia Barbetta (Argentinien): Nachtleuchten

Verlag
Fischer Frankfurt
Jahr
2018
Seiten
528
ISBN
310397289X
Genre
Roman
Land
Argentinien

Der Roman erzählt viele Geschichten von Menschen in Argentinien, Buenos Aires und genauer im Stadtviertel Ballester, etwa 1974/75. Am häufigsten kommt die zwölfjährige Arzttochter Teresa Gianelli vor. Sie besucht eine katholische Mädchenschule, von der eine Lehrerin, die junge und unkonventionelle Schwester Maria, plötzlich nicht mehr auftaucht (der politischste Bezug im Roman) und um die herum angeblich ein Kinderschänder sein Unwesen treibt. Dies alles veranlasst die Mädchenclique zu Fantasien, Vermutungen und Nachforschungen, ohne dass allerdings eine Klärung erfolgt. Später im Buch ist Teresa auf einer individuellen Mission und veranlasst verschiedene Nachbarn im Viertel, für eine Woche die in der Nacht leuchtende Madonna von Ballester bei ihnen zu Hause aufzustellen. So lernt sie auch Ofelia Farias kennen, die das Haus ihres Großvaters bezogen hat und dort mit sieben Katzen lebt.

Im Fokus auch die Autowerkstatt „Autopia“, deren Inhaber Julio el Haddad meint, das Wichtigste im Leben seien Visionen. Hier versammelt sich eine illustre Belegschaft. Unter anderen Alvaro Fatini, der nebenbei als Redakteur den „Ballester Anzeiger“ zu einer Diskussionsplattform entwickeln will. Dann gibt es den schwulen Friseur Celio Rachello, der um seine Mutter Laura trauert und mit Hilfe von Spiritisten Kontakt mit ihr aufnehmen will. Und den senilen Pater Amaro, der seine Schäfchen vor den Spiritisten retten will. Am Ende ist vorwiegend von den Brüdern Elias und Lautaro Morales (Kinder) und Mariano Andrade („El Gordo“), der sich als jugendlicher Sherlock Holmes inszeniert, und wieder Teresa die Rede, die gemeinsam irgendwelchen (so genau erfährt man es nie) Geheimnissen auf der Spur sind.

Und so liest sich dieses opulente Werk als eine Mischung aus Alltagsleben, Religiosität, mystischen bis okkulten Fantasien und Kinderkrimi. Politisch wird es – außer einigen kurzen Gesprächssequenzen – ausdrücklich nur bei den Verschwörungsfantasien der beiden Ortspolizisten Carrizo und Aquirre, die nach dem Tod von Juan Domingo Peron, mit dem sich abzeichnenden Militärputsch sympathisieren. Sprachlich ist es in der Tat gehobene Literatur. Das gekonnte Spiel mit Worten („Autopia“ oder der Reinigungsservice „Clean Eastwood“) und poetisch-kraftvolle Satzkonstruktionen sowie die farbige Beschreibung der Protagonisten sind Lesegenuss pur. Dies wiegt aber nicht die Vielzahl der verwirrenden Handlungsstränge, der oft befremdlichen bis unverständlichen Dialoge sowie die Legion von Figuren, die man nach einem Tag der Leseunterbrechung schon nicht mehr auseinanderhalten kann, auf. Eher schwierige als vergnügliche Lektüre.

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