Heinrich Krobbach und Bücher
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Philipp Schönthaler (Deutschland): Der Weg aller Wellen

Verlag
Matthes & Seitz Berlin
Jahr
2019
Seiten
269
ISBN
3957577721
Genre
Dystopie
Land
Deutschland

Der (namenlose) Protagonist arbeitet im Marketing des Campus (deutlicher Hinweis auf Google) und bekommt überraschend zunehmende „Identitätsprobleme“. Zunächst ist plötzlich sein Zugang zum Campus per Handvenenscanner gesperrt; auch die Fahrt mit dem Firmenshuttle wird ihm verwehrt; bald hat er Probleme, in seine Wohnung zu kommen. All seine Versuche, dies zu klären, enden erfolglos in nichtssagenden Auskünften von Hotlines. Schließlich kauft er ein gebrauchtes Auto, verlässt die Stadt und landet nach einer Autopanne in einer Community (dem „Brain“) in einem aufgegebenen Serverpark des Geheimdienstes. Deren Führer Ransom verfolgt eine Strategie der Vernetzung dezentraler Peripherien (wohl im Gegensatz zu Googles Zentralität), kann sich aber selbst seinen Anhängern kaum verständlich machen. Ein nach einem Interview mit Ransom im Brain gebliebene (namenlose) Journalistin freundet sich mit dem Marketing-Mann an (glaubt sie zumindest). Beide unterstützen Ransom sowohl bei Konflikten in der Community als auch bei Vortragsreisen. Doch plötzlich ist der Marketing-Mann spurlos verschwunden.

Das ist nur die grobe Handlung, für die ca. 30 Seiten gereicht hätten. Der Rest der knapp 270 Seiten besteht aus sprachlich ausschweifenden Beschreibungen und Schilderungen der Architektur des Campus, bizarrer Szenen mit Kunden auf einer Konferenz oder beim Interview mit „Weltraumgeschwistern“, der glücklosen Verabredung mit Kollegin Les, der Verzweiflung der Concierge seines Wohnkomplexes wegen ihres entflogenen Vogels, der Begegnung mit einer Handleserin im Hinterzimmer eines Asia Store, Ransoms Schwadronierens seiner Philosophie, des rituellen Abschlachtens von Kojoten durch seine Gegner im Brain usw. Eine kurze Andeutung, dass der Asia Store ein Treffpunkt politischer Opposition sein könnte, weckte meine Hoffnung auf einen ernstzunehmenden Roman – die wurde jedoch enttäuscht. Wenn dann „sprachlich ausschweifend“ wenigstens literarischen Genuss bedeutet hätte, hätte ich dem noch etwas positives abgewinnen können. So war ich froh, als ich endlich durch war.

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